WESTFALEN (17.09. - 06.10.2025)

60 Jahre fotogruppe oculus - 1250 Jahre Westfalen

Westfalen im Wandel – Tradition, Arbeit, Zukunft

 

Die Bilder dieser Ausstellung erzählen von einer Region, die reich ist an Geschichten und Erinnerungen. Sie zeigen Glauben und Feste, die seit Jahrhunderten Gemeinschaft stiften und bis heute lebendig sind. Sie führen in die Tiefe der Erde, wo die Kumpel unter Tage schufteten, und lassen die Spuren einer Industriekultur sichtbar werden, die das Ruhrgebiet geprägt und verwandelt hat.

Zwischen Prozessionen und Schützenfesten, Fördertürmen und Zechenhallen, zwischen Brieftauben und jungen Züchtern spannt sich ein Bogen von der Vergangenheit bis in die Zukunft. Es sind Bilder von Nähe und Gemeinschaft, von Stolz und Melancholie, aber auch von Hoffnung. Sie erinnern daran, Traditionen nicht nur zu bewahren, sondern auch weiterzutragen – von Generation zu Generation, in neuer Gestalt, mit neuem Leben erfüllt.

Diese Ausstellung lädt dazu ein, Westfalen in seiner Vielfalt zu betrachten: als Landschaft der Glaubensfeste und des Zusammenhalts, als Heimat harter Arbeit und stolzer Erinnerung, und als Region, in der Menschen immer wieder Wege finden, Kultur und Geschichte in die Zukunft zu tragen.

 

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Münster, Münsterland

HAUPTSTADT

Nebel über dem Prinzipalmarkt: Die Friedensstadt Münster zeigt sich fernab der Postkartenmotive – still, geheimnisvoll und voller Geschichte
Nebel über dem Prinzipalmarkt: Die Friedensstadt Münster zeigt sich fernab der Postkartenmotive – still, geheimnisvoll und voller Geschichte

In dichten Nebel gehüllt, erhebt sich die Lambertikirche über den nächtlichen Prinzipalmarkt, die “Himmelsleiter” am Turm wie ein leuchtendes Band, das den Himmel durchschneidet. Die Giebelhäuser zu beiden Seiten treten aus dem Dunst hervor, ihre warmen Lichter spiegeln sich auf dem nassen Kopfsteinpflaster. Mitten in dieser unwirklichen Szenerie steht eine einzelne Gestalt und fotografiert mit dem Smartphone, klein im Verhältnis zur Wucht der Architektur, und doch Mittelpunkt des Augenblicks, an dem der Betrachter mit dem Blick über ihre Schulter teilhaben kann.

 

In der Stille dieses Bildes klingt etwas von jener besonderen Rolle Münsters nach – jener Stadt, in der vor Jahrhunderten der Westfälische Frieden geschlossen wurde und die als ehemalige Hauptstadt Westfalens seither den Titel „Friedensstadt“ trägt. So verbindet die Aufnahme Gegenwart und Vergangenheit: eine Stadt, die zwischen Geschichte, Atmosphäre und stiller Gegenwart schwebt.

Süd-Westfalen, Sauerland / Siegerland

BIGGEBLICK

Ein Paar fotografiert sich auf der Plattform „Biggeblick“ –  Natur und Selbstinszenierung treffen hier in einem Bild aufeinander
Ein Paar fotografiert sich auf der Plattform „Biggeblick“ –  Natur und Selbstinszenierung treffen hier in einem Bild aufeinander

Das Land der tausend Berge

 

Die Aussichtsplattform „Biggeblick“ schiebt sich kühn über den Abgrund und eröffnet einen weiten Blick über die Wälder und Hügel des Ebbegebirges im Sauerland sowie den Biggesee darunter. Doch im Vordergrund stehen zwei junge Menschen, die sich dicht aneinander schmiegen und den Moment in einem Selfie festhalten. Die Natur wird zur Kulisse, das eigentliche Panorama tritt zurück hinter dem Wunsch, sich selbst im Bild zu verorten.

 

So entsteht eine Spannung zwischen der majestätischen Landschaft und der mittlerweile alltäglichen Geste digitaler Selbstinszenierung. Das Foto macht sichtbar, wie sich Wahrnehmung verändert – und wie selbst an Orten großer Schönheit das eigene Bild oft wichtiger wird als das, was sich jenseits des Smartphone-Bildschirms zeigt.

 

Münsterland

IM MÄRZEN DER BAUER ...

Ein kräftiges Ackerpferd zieht bei einer Vorführung den Pflug durch die Erde, begleitet von zwei Männern, die das alte Handwerk lebendig halten. Die Szene erinnert an eine Zeit, in der Mensch und Tier im Rhythmus der Natur gemeinsam das Land bestellten
Ein kräftiges Ackerpferd zieht bei einer Vorführung den Pflug durch die Erde, begleitet von zwei Männern, die das alte Handwerk lebendig halten. Die Szene erinnert an eine Zeit, in der Mensch und Tier im Rhythmus der Natur gemeinsam das Land bestellten

Ein mächtiges Kaltblut zieht gleichmäßig seine Spur durch den Acker, geleitet von zwei Männern, die das alte Pfluggerät führen. Erde bricht auf, frisch und dunkel, während Himmel und Horizont in hellem Blau die Szene rahmen.

 

Es ist ein Bild, das heute kaum mehr Wirklichkeit ist, sondern Erinnerung – ein Stück lebendiges Brauchtum, das bei Vorführungen noch einmal sichtbar wird. Die Kraft des Pferdes, die Konzentration der Menschen und der Rhythmus der Arbeit lassen für einen Moment erahnen, wie eng Natur und Mensch hier einst verbunden waren. So wirkt die Szene wie ein Fenster in eine vergangene Zeit, in der die Erde noch mit Pferdestärke bestellt wurde.

MARRRRIMMELFAHRT

Lichterbogen zu Mariä Himmelfahrt – ein leuchtendes Zeichen von Glauben und Gemeinschaft
Lichterbogen zu Mariä Himmelfahrt – ein leuchtendes Zeichen von Glauben und Gemeinschaft

Im Schein zahlloser Lichter strömen die Menschen durch die Straßen Warendorfs, um die reich geschmückten Bögen, die der Himmelfahrt Mariens gewidmet sind, zu bewundern. Die Dämmerung taucht die Szene in ein tiefes Blau, gegen das sich die Lichter wie funkelnde Sterne abheben. Ein kleines Mädchen auf den Schultern seines Vaters trägt einen der roten Lampions, in Warendorf „Bungen“ genannt.

 

Die Langzeitbelichtung lässt die Menge noch dichter erscheinen, als sie ohnehin schon ist. Ihr Miteinander wird Teil der Inszenierung – ein lebendiges Bild von Glauben, Gemeinschaft und feierlicher Hingabe.

Das Heimatfest Mariä Himmelfahrt (von den Warendorfern liebevoll “Marrrrimmelfahrt” genannt) ist ein traditionsreiches Warendorfer Volksfest, das im August stattfindet und die christliche Marienverehrung zum Inhalt hat. Einzigartige Merkmale sind die feierliche Marienprozession sowie die Illumination der Stadt durch rote Bungen (Lampions) und prächtige Marienbögen, die von Bogengemeinschaften errichtet werden.

ZAPFENSTREICH

Großer Zapfenstreich auf dem Warendorfer Marktplatz – gelebte Tradition im Glanz der Fackeln
Großer Zapfenstreich auf dem Warendorfer Marktplatz – gelebte Tradition im Glanz der Fackeln

Im Licht ihrer Fackeln schreiten die Schützen über das Kopfsteinpflaster des Warendorfer Marktplatzes. Vorneweg ein Mitglied des Bürgerschützenvereins, mit festlichem Schützenrock, geschmückt mit Abzeichen und Ehrenzeichen, das Gesicht von stolzer Freude erhellt. Hinter ihm folgt die Formation der Schützenbrüder, die Flammen der Fackeln tanzen im Abendhimmel und spiegeln sich im feierlichen Ernst des Rituals.

 

Der große Zapfenstreich, Höhepunkt des Schützenfestes, verbindet Tradition, Musik und Zeremonie. Eingebettet in das Heimatfest Mariä Himmelfahrt erinnert er an die tiefe Verwurzelung der Gemeinschaft in Geschichte und Glauben. Das Bild hält einen Moment zwischen Feierlichkeit und Geselligkeit fest – wo Vergangenheit und Gegenwart in festlichem Takt zusammenfinden.

KUTSCHENWALLFAHRT

Tradition und Glauben auf Rädern – die Kutschenwallfahrt in Telgte als lebendiges Zeugnis gemeinsamer Geschichte
Tradition und Glauben auf Rädern – die Kutschenwallfahrt in Telgte als lebendiges Zeugnis gemeinsamer Geschichte

Zwei Pferde ziehen die Kutsche durch die Straßen von Telgte, begleitet vom erwartungsvollen Blick der Zuschauer am Straßenrand. Über den Zuschauern thront der geschmückte Wappenbaum mit seinen bunten,  flatternden Bändern, Sinnbild für Heimat und Gemeinschaft. Aufwendig geschmückte Wagen, festliche Kleidung und die ruhige Würde der Pferde verleihen dem Zug einen feierlichen Charakter.

 

Die Kutschenwallfahrt ist seit Generationen Teil des religiösen Lebens in Telgte. Sie verbindet Glauben mit festlicher Tradition, und das gemeinsame Erleben stiftet Zugehörigkeit über alle Generationen hinweg. Doch über dieser Schönheit liegt auch die Frage nach der Zukunft: Ob diese Wallfahrt weiterhin das Jahr begleiten wird, ist ungewiss. Das Bild hält den Moment der Gegenwart fest – als lebendige Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und einer Zukunft, die noch offenbleibt.

Ostwestfalen-Lippe

Hermann reckt sein Schwert gegen den aufgehenden Mond – das nächtlich beleuchtete Denkmal erscheint wie ein mythisches Sinnbild von Sieg und Freiheit, eingerahmt von dunklen Baumwipfeln vor nachtblauem Himmel
Hermann reckt sein Schwert gegen den aufgehenden Mond – das nächtlich beleuchtete Denkmal erscheint wie ein mythisches Sinnbild von Sieg und Freiheit, eingerahmt von dunklen Baumwipfeln vor nachtblauem Himmel

Im nächtlichen Blau des Himmels erhebt sich das Hermannsdenkmal, von Licht umflutet und zugleich vom Schatten der Baumwipfel eingefasst. Hermann reckt sein Schwert, als würde er den Mond selbst herausfordern – oder ihn als Zeichen des Sieges und der Freiheit annehmen. 

 

Die Platzierung von Figur und Himmelskörper, diagonal über das Bild verteilt, schafft eine Spannung zwischen Vergangenheit und kosmischer Gegenwart am Himmel Westfalens. In diesem Moment scheint die alte Geschichte vom Sieg über die Römer neu erzählt, größer und zugleich inniger, als Teil einer westfälischen Landschaft, die selbst zum Bühnenbild wird.

Ein Bild, das Geschichte, Mythos und Natur in einem einzigen Augenblick bündelt.

Westfälisches Ruhrgebiet

SCHICHT IM SCHACHT

Unter Tage – ein stiller Blick in die vergangene Welt der Zechen im Bergbaumuseum Bochum
Unter Tage – ein stiller Blick in die vergangene Welt der Zechen im Bergbaumuseum Bochum

Ein Bergmann geht durch die engen Stollen, sein weißer Anzug hebt sich im grellen Licht der Grubenlampen vom Schwarz der Wände ab. Über ihm wölbt sich das eiserne Gerippe der Stützbögen, Rohre und Kabel ziehen sich wie Lebensadern durch die Tiefe. Die Szene ist still, beinahe zeitlos – und doch ein symbolischer Blick in die Vergangenheit. Als Symbol einer Arbeit, die bereits der Vergangenheit angehört. Denn der Bergmann verlässt die Tiefe nicht nur nach einer Schicht, sondern vielleicht endgültig, weil die Zechen für immer still stehen. Jeder Schritt trägt die Melancholie einer Ära, die endet – und die Unsicherheit darüber, wohin der Weg ihn persönlich nun führt.

Die in Schwarz-Weiß gehaltene Gestaltung verstärkt die Schwere und Würde des Moments. Hier wird sichtbar, was Generationen prägte: harte Arbeit, Gefahr und Gemeinschaft unter Tage. Heute ist es Erinnerung, Industriekultur, Denkmal. Doch das Gefühl bleibt spürbar – das Rauschen der Maschinen, die Enge des Schachts, der Rhythmus von Arbeit und Leben im Ruhrgebiet.

WASCHKAUE

Letzte Schicht – die Kleidung der Kumpel als stummes Denkmal des Abschieds (Bergbaumuseum Bochum)
Letzte Schicht – die Kleidung der Kumpel als stummes Denkmal des Abschieds (Bergbaumuseum Bochum)

Die Kleidung hängt in den Kauen hoch oben unter der Decke, als warteten die Jacken, Helme und Schuhe nur darauf, wieder vom nächsten Arbeitstag gefüllt zu werden.

 

Doch der Raum ist still. Die „Kumpel“, die hier einst ein- und ausgingen, sind gegangen – nicht in die Grube, sondern für immer. Das Bild wirkt wie ein eingefrorener Moment nach der letzten Schicht: ein Arbeitsplatz, der plötzlich Erinnerung geworden ist.

Zwischen den abgetragenen Stoffen, den Helmen mit Kratzern, den Spuren von Schweiß und Staub, liegt das Echo der Vergangenheit. Hier hängt nicht nur Kleidung, sondern ein Stück Leben – die Gemeinschaft, die Härte, die Kameradschaft der Arbeit unter Tage.

 

Man spürt die Endgültigkeit: Sie werden nicht zurückkehren. Was bleibt, ist ein Denkmal aus Stoff und Eisen, ein Ort der Erinnerung an eine Zeit, die das Ruhrgebiet geprägt hat.

TIEF IM WESTEN, WO DIE SONNE VERSINKT ...

Stählernes Monument – der Förderturm als Sinnbild einer untergegangenen Industrieepoche
Stählernes Monument – der Förderturm als Sinnbild einer untergegangenen Industrieepoche

Der Förderturm erhebt sich wie ein eisernes Monument in den Himmel, sein massives Gerüst durchdrungen von Licht und Schatten. Die Sonne bricht hinter den Stahlstreben hervor, als wollte sie ein letztes Mal die Größe und Würde dieser Industrie erhellen.

 

Im Schwarz-Weiß wirkt das Bauwerk zeitlos, beinahe heroisch – ein Sinnbild für die Epoche, in der das Ruhrgebiet von Kohle und Stahl geprägt war.

Heute steht der Turm still, seine Seile tragen keine Last mehr, die Maschinen schweigen. Und doch bleibt er mehr als totes Eisen: Er ist Erinnerung und Mahnmal, Stolz und Wehmut zugleich. Für die Menschen im Ruhrgebiet verkörpert er eine gemeinsame Vergangenheit, die von Arbeit, Zusammenhalt und auch Entbehrung erzählt.

 

Der Blick nach oben wird zum Blick zurück – zu einer Zeit, die nicht wiederkehrt, aber in den Denkmälern fortlebt.

TAUBENLIEBE (1)

Junge Brieftaubenzüchter – Hoffnung für eine lebendige Tradition im Ruhrgebiet
Junge Brieftaubenzüchter – Hoffnung für eine lebendige Tradition im Ruhrgebiet

Ein junger Züchter greift behutsam nach seiner Taube, hebt sie aus dem Schlag und bereitet sie für den Wettflug vor. In seinen Bewegungen liegt Ruhe, Respekt und die enge Verbindung zwischen Mensch und Tier.

 

Die Vögel, einst „Rennpferde des kleinen Mannes“ genannt, waren im Ruhrgebiet über Jahrzehnte ein fester Bestandteil des Alltags, untrennbar verbunden mit dem Leben der Bergleute.

 

 

Heute ist der Altersdurchschnitt derer, die dieser Leidenschaft nachgehen, hoch. Doch hier zeigt sich eine neue Generation, die die Tradition fortführt, sie lebendig hält und mit frischem Blick in die Zukunft trägt. Zwischen Holzverschlägen und flatternden Flügeln entsteht so ein Bild von Kontinuität und Hoffnung: dass auch in einer sich wandelnden Region manche kulturellen Wurzeln weiterbestehen.

TAUBENLIEBE (2)

Vertrauen auf der Hand – junge Züchter geben dem Taubensport eine Zukunft
Vertrauen auf der Hand – junge Züchter geben dem Taubensport eine Zukunft

Auf der ausgestreckten Hand des jungen Züchters sitzt seine Taube, stolz und wachsam, das Gefieder im Sonnenlicht schimmernd. Der Blick des Vogels geht nach vorn, während der Mensch im Hintergrund fast verschwimmt – ein Bild, das die Partnerschaft zwischen Tier und Mensch in den Mittelpunkt rückt.

 

Hier ist kein bloßes Hobby zu sehen, sondern eine stille Verbindung, die von Vertrauen und Verlässlichkeit lebt.

Der Brieftaubensport, einst untrennbar mit dem Alltag des Ruhrgebiets verbunden, findet in dieser Geste neue Lebenskraft. Junge Hände tragen eine alte Tradition weiter, verleihen ihr ein Gesicht in der Gegenwart.

 

Die Taube auf der Hand wird so zum Sinnbild für die Zukunft: für das Weitergeben von Wissen, die Bewahrung von Kultur – und für die Hoffnung, dass diese Bindung zwischen Mensch und Tier l,zwischen Tradition und Zukunft, Bestand hat.